Restzucker-Rambo räumt ab 

Das hätten sich weder Taurus-Erfinder Dieter L. Schnitzius noch seine Genossen von der Dachsteiger-Weingärtnergenossenschaft Heuholz träumen lassen. Ihr "Roter Stier" rollt bundesweit die Medien auf und ist auf dem besten Weg, auch in Sachen Umsatz zum Überflieger zu werden. "Nach der Taurus-Reportage in der Hohenloher Zeitung wurde das so richtig zum Selbstläufer", sagt Schnitzius. Er ist noch immer erstaunt darüber, "welche Lawine unsere heimische Zeitung da losgetreten hat". 

Ob Stuttgarter Zeitung, Südwestpresse, Bild, dpa, Focus, BW-Agrar, die Fachzeitschrift Vinum oder der schweizerische Sonntagsblick, ob RTL, SWR oder gestern Pro Sieben - alle sind scharf auf Taurus. Ein Ende nicht absehbar. "Ein Mords-Stress", sagt Fanclub-Chef Michael Grosch und spricht nicht ohne Stolz von "Chaostagen im Ohrntal". Für Schlagzeilen sorgt vor allem die freizügige Taurus-Kampagne auf der Homepage des von der WG Heuholz unabhängigen Taurus-Fanclubs. 

Die schnellte nach der HZ-Veröffentlichung von zuvor 1500 binnen weniger Tage auf 5000 Besucher hoch und zählte gestern bereits knapp 12 000 Klicks. Weil die Homepage mit dem Model Jenny (Foto: privat) rund um den Dachsteiger nicht nur auf eitel Freude stieß, witterte mancher Sender zumindest ein Skandälchen und graste auf der Jagd nach Negativ-Stimmen das Tal ab. Gleich zweimal kam das RTL-Team. Grund: Zu wenig Ablehnendes beim ersten Dreh. "Die wollten, dass wir ihnen wütende Landfrauen vor die WG bestellen ", sagt Dieter L. Schnitzius. Doch da zogen die Dachsteiger-Genossen nicht mit. Etwas verschaukelt fühlt sich die Hohenloher Weinprinzessin Melanie Küstner aus Baierbach. Mit Tracht und Krone bestellte RTL sie zur WG. " Dort sollte ich mich neben das Model stellen, den Kopf schütteln und mich ablehnend äußern", sagt sie. 

Sie zeigte Flagge - allerdings pro Taurus. Fazit: "Das haben die alles rausgeschnitten." Schlechte Erfahrungen hat auch Ingrid Jörke gemacht, die im Kindergarten Untersteinbach als Reinigungskraft arbeitet. Im RTL-Beitrag wurde sie kurzerhand zur " Kindergartenleiterin" umfunktioniert. "Da sieht man mal, wie die schaffen", sagt sie und "ich würd's nie mehr machen". 

Längst ist der 44-Gramm-Restzucker-Rambo zum trendigen Kult- und jetzt auch Mixgetränk avanciert. In Fanclub-Kreisen werden Taurus-Drinks wie "Geiler Stier" (mit Blütenpollen) oder "Scharfer Stier " (mit grobem Pfeffer) erprobt. Scharf aufwärts geht's auch in Sachen Umsatz. (siehe "Stier galoppiert . . ."). 

Schnitzius geht davon aus, dass der Taurus-Boom "noch ein, zwei Jahre anhält und sich dann auf 50 000 Flaschen im Jahr einpendelt" .Für eine "eher kurzlebige Geschichte", hält dagegen Hermann Hohl, Präsident des Weinbauverbandes Württemberg, den Taurus-Trend. "Einen Schritt zu weit" geht ihm auch die freizügige Werbung des Fanclubs."Uns hätt' nichts Besseres passieren können", freut sich Vorstandsvorsitzender Friedrich Böhringer. 

"Diese bundesweite PR hätten wir nie bezahlen können." Bremsen will er seinen agilen Geschäftsführer auch künftig nicht. "Eher mal in die richtigen Bahnen lenken", schmunzelt er.Mit dem Extrakt-Monster Chéri aus Ortega, Traminer und Riesling hat Schnitzius derweil bereits die weiße Taurus-Schwester im Verkauf. 

Und im Mai kommt der Mini-Taurus im trendigen Six-Pack auf den Markt. 


Kommentar - Für immer süß? 

Mit ihrem Zucker-Kracher Taurus haben die Dachsteiger-Genossen einen gewaltigen Eckpfeiler in die Wein-Landschaft gerammt. Als eine Art Trüffel-Schwein in Sachen Trends hat Dieter L. Schnitzius den richtigen Riecher gehabt. Der Kult- /Cool-Drink bringt neue, junge Kunden zum Wein-Konsum. Doch bei aller Taurus-Euphorie müssen die Heuholzer aufpassen, dass sie die Qualitäts-Offensiven anderer Erzeuger nicht verschlafen. Den hiesigen Vierteles-Schlotzer können sie noch allemal gut bedienen. Doch vor allem im Segment trockener Premium-Roter täte ein weiterer Eckpfeiler Not. Taurus und Chérie - alles okay. Aber wo bleibt der rote Trocken-Hammer? Auf der Maische vergoren, im Ertrag reduziert und mit gekonnt eingebundenem Holz. Wir warten. 


Stier galoppiert auf Überholspur 

Zurzeit hinter Trollinger-Lemberger und Schwarzriesling noch auf Rang drei, galoppiert der "Rote Stier" auf der Überholspur und ist drauf und dran, die traditionellen Brot-und-Butter-Weine der WG Heuholz vom Umsatz-Thron zu stoßen. Mit einer Million Liter Wein macht die WG rund 2,5 Millionen Euro Umsatz pro Jahr. Rund fünf Prozent dieses Kuchens entfielen bisher auf den Taurus. "Wir rechnen in diesem Jahr mit 100 000 Flaschen und sind dauernd am Nachfüllen", sagt Geschäftsführer Dieter L. Schnitzius. Wenn er Recht behält, schnellt der Umsatz-Anteil des "Roten Stiers" auf 20 Prozent hoch. 

Für einen deutlichen Absatz-Kick hat die hohe Medien-Präsenz gesorgt. So wurden von dem im Mai 2002 erstmals abgefüllten Taurus bis zur ersten Taurus-Reportage in der HZ rund 35 000 Flaschen umgesetzt. Derzeit - gut vier Wochen später - sind es bereits 60 000. (ko) 


Schülerzeitung will mehr Erotik 

Auf satte Zustimmung stoßen der Zucker-Kracher Taurus und seine freizügige Propagandistin Jenny im Gästebuch des Taurus-Fanclubs. Quer durch die Republik und selbst aus Österreich melden sich Leute zu Wort. 

"Ich werde eure Adresse unseren Weinbauern weitergeben", schreibt Silvester Mayr aus Langenlois. "Endlich mal jemand, der erkannt hat, in welche Richtung es gehen muss", beglückwünscht "ein Ungenannter aus der Branche" den WG-Geschäftsführer Dieter Schnitzius zu seiner gelungenen Kampagne für die Zielgruppe der "Weintrinker von morgen". Und er setzt noch eins drauf: " Vorbei sind die Zeiten von Kennerkopf und Heinz Hoenig. Vorbei die Zeiten, dass die Weinkönigin (bis auf wenige Ausnahmen) so viele Kilo haben musste, wie eine Spätlese Öchsle". Lust auf mehr hat die Pfedelbacher Schülerzeitung. Ihr Wunsch: "Macht doch noch ein paar solch schöne erotische Bilder. 

" Für Maik sind "die prüden Leute die beste Werbung für diesen Wein" und Mause fragt, ob's "auch mal ein männliches Fotomodell gibt?" Zu den wenigen kritischen Kommentaren gehört der eines Kegelclubs: "Lieber ist uns ein leerer Trollinger als ein süß-vollbusiger Taurus. Die Tussi reißt das Produkt nicht raus - aber für die Kids-Generation mag's ja recht sein". 

Enttäuscht ist ein Namenloser. Er meint, "die Bilder hätten ruhig etwas edler werden können und nicht so billig wie auf der nächstbesten Pornoseite." Etwas romantischer wär's auch Peter lieber gewesen. Sein Kommentar: "Bestrapst ist daneben." (ko)



 
Hohenloher Zeitung
vom 29.03.2003
von Juergen Koch
 
http://www.stimme.de
 
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